«Ich heisse Ahferom und bin 29 Jahre alt. In Eritrea besuchte ich die Schule bis zur 10. Klasse. Neben der Schule arbeitete ich auf einem Bauernhof.
Dann musste ich flüchten, zuerst nach Äthiopien. Am 22. September 2016 kam ich schliesslich in die Schweiz.
Seit eineinhalb Jahren besuche ich jetzt Gratis-Deutschkurse bei Solinetz in Winterthur, dieses Semester einen B2-Kurs.
Auf meinem Weg zu einer Ausbildung und einer Arbeit in der Schweiz gab und gibt es viele Hindernisse:
In Bülach durfte ich nur drei bis vier Stunden pro Woche einen Deutschkurs besuchen.
Fünf Jahre lang wartete ich auf meinen Asylentscheid und durfte nicht arbeiten. Und jetzt, vor 14 Tagen der Schock: negativ. Ich stehe vor dem Nichts. Ein Härtefallgesuch ist meine letzte Chance, aber ich weiss nicht, ob ich die lange Unsicherheit bis zu einem Entscheid nochmals aushalte.
Wir Menschen brauchen doch Sicherheit und Arbeit, damit wir selbständig und unabhängig leben können. Wie soll ich zurück in mein Heimatland können. Dort will mich niemand mehr.
In Eritrea bin ich aus dem Gefängnis geflüchtet. Jetzt fühle ich mich in der Schweiz wie in einem Gefängnis.
Mein Traumberuf ist Sanitär-Heizungsinstallateur. Aber halte ich es aus, noch so lange warten zu müssen, bis ich meinen Traum verwirklichen kann?»
Ahferom
Degky
«Ich heisse Degky und bin 26 Jahre alt. Ich bin vor sieben Jahren aus dem Tibet in die Schweiz gekommen. Da ich keine Bewilligung bekam und mir die Schwierigkeiten mit der Polizei zusetzten, bin ich dann nach Frankreich geflüchtet, wo ich drei Jahre lebte. 2019 habe ich einen Mann aus dem Tibet geheiratet, deshalb bin ich wieder in der Schweiz.
Für das Deutschlernen oder eine Ausbildung bekomme ich keinerlei Unterstützung. Ich habe mit knapp B1-Niveau die Aufnahmeprüfung für den Lehrgang zum Sekundarschulabschluss bestanden und ein Stipendium beantragt. Aber die Bearbeitung der Gesuche ist um mindestens ein halbes Jahr im Rückstand. Und die Schule reagiert nicht auf meine Hilferufe.
Ich lerne schnell und habe keine Probleme, meine Ziele zu verfolgen. Ich hoffe, dass es mir gelingt, eine Ausbildung zu machen.
Heute bin ich auch hier, um anstelle von Lhamo zu sprechen. Lhamo ist inzwischen nach Frankreich geflohen.»
Lhamo
Degky trägt die bewegende Geschichte von Lhamo vor:
«Ich heisse Lhamo und bin 25 Jahre alt. Ich bin vor sieben Jahren aus dem Tibet in die Schweiz gekommen. Ich ging sechs Jahre zur Schule und kam ohne Ausbildung mit 18 Jahren in die Schweiz, genauer gesagt in den Kanton Aargau. Mein Gesuch wurde sofort abgelehnt, ich konnte deshalb keine Deutschkurse besuchen. Dass die Sprache sehr wichtig war, merkte ich erst, als ich nach zwei Jahren festgenommen wurde. Ich verstand nicht, was die Dolmetscherin und der Polizist miteinander verhandelten und fühlte mich ausgeschlossen. Während vier Jahren hatte ich eine Eingrenzung und konnte nicht nach Zürich in Freiwilligenkurse gehen. Ich begann Deutsch mit Filmen zu lernen, die ich mir herunterlud.
Während neun Monaten konnte ich dann bei einer Schweizer Familie wohnen und auch eine Ausbildung zur Pflegehelferin machen. Eigentlich ist das Personen wie mir nicht erlaubt, aber es konnte eine Ausnahme gemacht werden.
Als ich zum dritten Mal festgenommen wurde und die Busse nicht bezahlen konnte, musste ich ins Gefängnis. Dort habe ich meine Deutschkenntnisse erweitert und bekam als Köchin einen Lohn. Trotzdem hat mir der Aufenthalt sehr zugesetzt. Erst nachher bemerkte ich, dass ich über 10 Kilos zugenommen hatte. Der Gedanke daran erschüttert mich noch heute. Nach dem Gefängnis war ich so von der Rolle, ich war längere Zeit nicht fähig mich zu konzentrieren. Dann hörte ich von den Solinetzkursen. So bekam mein Leben wieder eine Struktur.
Ich habe immer Freiwilligenarbeit geleistet. Vor zwei Jahren habe ich ein Härtefallgesuch gestellt. Nun liegt mein Fall beim Gericht in St. Gallen. Ich würde gerne arbeiten, eine eigene Wohnung haben, eine Familie gründen. Der Gedanke daran macht mich traurig. Mein Freund lebt in Zürich. Zusammenleben dürften wir nur, wenn wir ein Kind bekämen.»
Kholoud
«Ich heisse Kholoud und bin 23 Jahre alt. In Syrien habe ich 5 Semester Medizin studiert, wie alle, welche in der Maturaprüfung nicht mehr als 3 von 290 Punkten verlieren.
Seit 2 Jahren und 8 Monaten bin ich in der Schweiz. Deutsch habe ich mir zunächst selbst beigebracht, nachher lernte ich bis C1 bei Solinetz.
Seit einem Jahr habe ich ein Coaching bei Heks Mosaik. Meine Berufsfindung ist ein steiniger Weg. Ich brauchte einige Zeit, um zu verkraften, dass ich mit F-Status mein Medizinstudium nicht wiederaufnehmen durfte. Von einem Studium der Biomedizin wurde mir abgeraten mit dem Hinweis, dass dazu eine harte Vorprüfung, unter anderem in drei Landessprachen, nötig sei. Später stellte sich heraus, dass das nur zwei Landessprachen betraf, immer noch eine hohe Hürde. Operationstechnik wurde als Alternative vorgeschlagen. Deshalb habe ich in einem Spital geschnuppert. Danach habe ich entschieden, einen ganz anderen Weg einzuschlagen.
Das erste Problem im Spital ist schon mein Kopftuch. Das kann ich nicht wirklich verstehen. Ich zeige mein Gesicht ebenso wie alle hier und trage helle oder farbige Tücher. Mit der Atmosphäre im Spital hatte ich Mühe. Die Menschen sind hier verwöhnt, die Patienten scheinen mir überbetreut. Das hat wohl mit dem Wohlstand zu tun. Ein Stück weit fühle ich mich fremd und einsam in diesem Land. Deshalb habe mich gegen einen Beruf mit viel Menschenkontakt entschieden.
Die Idee einer Ausbildung in der IT-Branche sagt mir zu. Aber noch habe ich keinen Ausbildungsplatz.
Nun habe ich einen netten Mann aus Syrien kennengelernt, der meine Berufswünsche ernst nimmt. Ich bin überzeugt, dass Familie und Beruf auch für Frauen zusammengehören.»
Kiymet
«Ich heisse Kiymet, komme aus der Türkei, habe Chemie studiert und als Lehrerin gearbeitet. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder.
Ich bin eine von tausenden von Menschen, die vor fünf Jahren in der Türkei fichiert wurden. Darum musste ich mein Land verlassen. Und diese Flucht war ein Wendepunkt in meinem Leben.
Kurze Zeit war ich in Griechenland, nun lebe ich seit zwei Jahren in der Schweiz.
In den ersten sechs Monaten habe ich Deutsch A1 aus eigener Kraft abgeschlossen.
In den letzten 18 Monaten musste ich mit den Gemeinden kämpfen. Der Sozialchef einer Gemeinde sagte mir einmal: Du bist Ausländerin und musst nicht so gut Deutsch können, du musst arbeiten! Dabei ist doch Deutsch etwas vom wichtigsten für eine Geflüchtete in der Schweiz.
Seit dem April besuche ich einen Deutschkurs bei Solinetz in Winterthur. Jetzt bin ich in einem B1-Kurs.
Natürlich habe ich viele Träume. Ich möchte als Chemikerin in einem Labor arbeiten. Ich möchte einen Master machen. Und irgendwann möchte ich mich an Projekten beteiligen, die vielen Menschen auf der Welt helfen. Doch leider sind meine Deutschkenntnisse zu wenig gut. Also muss ich warten und noch viel Geduld haben.
Und natürlich habe ich Angst. Ich habe Angst wegen meines Kopftuchs. Oft werde ich beschimpft. Ich frage mich, ob ich so jemals eine Arbeit finde in der Schweiz.
Es gab wenige Tage in den letzten fünf Jahren, an denen ich nicht geweint habe. Immer wieder versuche ich, mich zu motivieren.
Habe ich also Hoffnung? Solange ich atmen kann, glaube ich, dass es noch so viel gibt, was ich in diesem Leben tun kann!»
Merve
«Ich heisse Merve und bin 26 Jahre alt. Mit einem Lehrdiplom als Mathematiklehrerin für die 4. bis 8. Klasse und 5 Monaten Berufserfahrung kam ich aus der Türkei in die Schweiz. Seit dreieinhalb Jahren bin ich hier.
Mit privater Hilfe haben mein Mann und ich innerhalb von weniger als einem Jahr Deutsch bis etwa Niveau B2 gelernt, ohne eine Zertifikatsprüfung abzulegen.
Als ich vor einem Jahr die B-Bewilligung erhielt, wollte die Gemeinde keinen Deutschkurs finanzieren. Bei Solinetz konnte ich gerade die C1-Prüfung bestehen.
Als wir nach Winterthur umzogen, hat mich die Sozialberatung zur Berufsberatung bei Heks Mosaik angemeldet. Ich sollte sofort eine Stelle finden, egal, in welchem Arbeitsgebiet. Ich aber war entschlossen, als Lehrerin zu arbeiten. So schnell möchte ich meinen Traum nicht aufgeben.
Es stellte sich heraus, dass ich hier wahrscheinlich die ganze Lehrerausbildung nochmals absolvieren muss. Mein Diplom wurde noch nicht überprüft, das kostet Zeit und Geld. Vor Studienbeginn müsste ich C2 in Deutsch, C1 in Englisch vorweisen und B2 in Französisch. Ich frage mich, ob das jemals jemand geschafft hat.
Im April habe ich mich als Klassenassistenz beworben. Wegen meines vorhandenen Lehrerdiploms und meiner guten Deutschkenntnisse habe ich eine Zusage für ein Praktikum bekommen, das vor den Sommerferien endete. Ich habe vor, eine Weiterbildung zur Klassenassistenz zu machen. Mein Ziel, Primarlehrerin zu werden, habe ich immer vor Augen. Dazu muss ich ein Stipendium finden. In etwa 6 Jahren könnte ich es schaffen, dann bin ich 32 Jahre alt. Mein Mann unterstützt mich dabei sehr.
Was mich schmerzt, ist, dass ich mich trotz meiner Bemühungen hier noch nicht aufgenommen fühle. Anfangs war ich zu schüchtern und konnte auch oft nicht mitreden, dann etwa, wenn die Leute über ihre Ferien sprachen. Inzwischen bin ich mutiger geworden. Es braucht alles seine Zeit.»
Mohsen
«Ich heisse Mohsen und bin 22 Jahre alt. Ich komme aus Afghanistan und bin seit 13 Monaten in der Schweiz. Eben habe ich die B-Bewilligung bekommen.
Zur Schule konnte ich nicht gehen. Als mein Vater ermordet wurde, war ich 9 Jahre alt. Meine Mutter hatte wieder geheiratet, sie konnte mir nicht helfen. So habe ich für einen Mann des Nachbardorfes als Hirt gearbeitet. Brötchen, Milch und Joghurt waren mein Lohn.
Als ich mit 14 Jahren geflüchtet bin, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Auto gesehen. Auf der Flucht habe ich lesen und schreiben gelernt. In Griechenland bin ich zum ersten Mal in die Schule gegangen, wo ich die Grundlagen der Mathematik gelernt habe.
In der Schweiz bin ich schliesslich in Rüti gelandet, wo die Kirche einmal pro Woche Deutschunterricht anbietet, was allerdings durch Corona unterbrochen wurde. Dann hat mich die Sozialarbeiterin für den A2-Kurs bei Solinetz angemeldet. Da habe ich jetzt gerade die Zertifikatsprüfung bestanden.
Nun muss ich natürlich noch besser Deutsch lernen. Die Gemeinde hat mir angeboten, mir einen Kurs zu finanzieren. Ich muss aber zuerst eine neue Wohnung finden. Auf jeden Fall möchte ich eine Ausbildung machen. Was genau, weiss ich noch nicht. Sicher nicht in einem Büro, sondern unter freiem Himmel.
Weil ich als Kind sehr auf mich allein gestellt war, fühle ich anderen Menschen gegenüber immer noch eine gewisse Scheu. Zu schaffen macht mir ausserdem, dass die Menschen hier keine Zeit füreinander haben, weil sie immer so beschäftigt sind. Ob ich meine Scheu jemals ganz loswerden kann?»
Onur
«Ich heisse Nusret und bin 40 Jahre alt. Ich komme aus der Türkei und bin seit fast drei Jahren in der Schweiz.
Bis zum Putschversuch 2016 war ich Staatsanwalt. Ich habe zwei Master abgeschlossen. In der Schweiz habe ich zunächst Deutsch in verschiedenen Freiwilligenkursen gelernt und das C1-Zertifikatgut bestanden.
Als ich vor einem Jahr die B-Bewilligung erhielt, wurden mir zwei Gespräche im BIZ organisiert. Ich hatte mich vorher entschlossen, eine Ausbildung zur Sozialarbeit zu machen und liess mir die möglichen Wege aufzeigen.
Zuallererst braucht man ein Praktikum. Ich machte mich selbständig auf die Suche, schrieb zahlreiche Bewerbungen und wurde immer wieder enttäuscht. Zum ersten Mal habe ich die Türkei vermisst. Das sehe ich jetzt als eine Art geistige Flucht zurück. Vor lauter Stress bekam ich eine Gürtelrose. Inzwischen habe ich doch noch ein Praktikum für 7 Monate gefunden.
Nachher werde ich mich an einer Hochschule bewerben und ein Stipendium suchen. Meine Gemeinde sieht kein Studium vor. Irgendwie habe ich das Gefühl, es doch schaffen zu können. Ich muss die Leute überzeugen und selbst eine Finanzierung organisieren.
Mein Ziel ist klar, meine Zukunft ungewiss. Ich versuche, die bestehenden Möglichkeiten optimal zu nutzen. Als Freiwilliger arbeite ich bei VoCHabular mit, und ich habe bei Solinetz Winterthur unterrichtet. Eine Nachbarin lobte kürzlich meine gute Integration. Das machte mich glücklich. Ich möchte mich in dieser Gesellschaft gebraucht fühlen und meinen Beitrag leisten. Wir schauen nach vorne. Meine Frau ist viel selbständiger geworden, das freut mich sehr.»
Sara
«Ich heisse Sara und bin 31 Jahre alt. Ich komme aus Syrien und bin seit 5 Jahren in der Schweiz. In Syrien machte ich nach 12 Jahren Schule eine Ausbildung zur Goldschmiedin.
Hier besuchte ich während 2 Jahren Freiwilligenkurse bis B1. Als ich F bekam, absolvierte ich einen Einführungskurs bei Heks für die Arbeit mit alten Menschen.
Nachdem ich ein Jahr lang freiwillig als Servicemitarbeiterin in einem Altersheim gearbeitet hatte, teilte ich meiner Sozialberatung meinen Wunsch mit, eine Ausbildung als Pflegefachperson zu machen. Mein Berater trug mein Vorhaben mit, sah aber auch Probleme. Meine drei Kinder waren ja noch klein. Und für meinen Mann war das Leben in Syrien so belastend gewesen, dass er hier krank wurde. Er braucht immer noch Medikamente und wir warten auf einen Therapieplatz für ihn. Mein Berater sicherte mir seine Unterstützung sofort zu.
Im Internet fand ich eine Ausbildung beim SRK. 70% der Kosten wurden von der Stiftung Chance, der Rest von der Stadt übernommen. Eigentlich braucht man dazu ein B2-Zertifikat. Ein weiterer Deutschkurs wurde mir aber nicht bezahlt. Nach einem Aufnahmetest wurde ich trotzdem angenommen. Vor einem halben Jahr habe ich die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Er war eine harte Zeit, da ich mit meinen knappen Deutschkenntnissen viele Begriffe nachschauen musste. Mein Mann hat mich sehr unterstützt und mir immer Mut gemacht. Das war mir ganz wichtig. Inzwischen darf ich einen B2-Kurs besuchen und werde die Prüfung machen.
Ich möchte Fachfrau Gesundheit werden und suche nach einem Modell, das mir ermöglicht, gleichzeitig zu arbeiten und die Schule zu besuchen. Meine Kinder machen mir grosse Freude, es geht ihnen gut. Mit meiner Arbeit möchte ich für meine Familie aufkommen können, soweit immer das möglich ist. Wir sind dankbar für die grosse Unterstützung, die wir hier erfahren.»
Shakiba
«Ich bin Shakiba aus Afghanistan, 29-jährig und seit fünfeinhalb Jahren in der Schweiz. Ich bin verheiratet, habe drei Kinder und einen F-Ausweis.
Als ich sechsjährig war, flüchteten wir in den Iran. Dort konnte ich bis zur achten Klasse in die Schule. Danach heiratete ich. Neben der Schule lernte ich Näherin und Schneiderin. Dann mussten wir wieder flüchten, weil mein Mann keinen Ausweis hatte und meine Kinder nicht zur Schule konnten.
2018 konnte ich bei Solinetz in Winterthur einen A2-Deutschkurs besuchen, 2020 einen B1-Kurs. Aber immer wieder musste ich die Deutschkurse unterbrechen, weil mein Mann für kurze Zeit arbeiten konnte.
Mein Traumberuf war Hebamme. Aber im Iran können Asylsuchende keine Ausbildung machen.
Jetzt möchte ich Konditorin werden, aber mit F ist das kaum möglich. Mit diesem Ausweis findet man keinen Job, auf jeden Fall keinen guten Job.
Mein Mann sucht schon so lange eine Arbeit, die er einmal mehr als zwei Wochen lang machen kann. Aber er findet keine. Mit F können wir auch an keinen anderen Ort umziehen. Und niemand vermietet ein Haus an uns.
Mit dem F-Ausweis haben wir Geflüchtete in der Schweiz einfach keine Chance!»
Sirus
«Ich heisse Sirus und bin 26 Jahre alt, ich komme aus Afghanistan und bin seit fünfeinhalb Jahren in der Schweiz. Neu habe ich die F-Bewilligung.
In Afghanistan hatte ich die obligatorische Schulzeit von 12 Jahren absolviert und eine begonnene Krankenpfleger-Ausbildung nach einem Jahr beendet.
Es war mir nicht möglich, neben der Ausbildung meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich musste fern von meinen Eltern in der Stadt leben. So wurde ich Schreiber bei der Polizei in meinem Heimatdorf. Formulare und ID-Karten schrieben wir von Hand. Das ist wohl dort heute noch so.
Nach einem Jahr in der Schweiz erhielt ich den ersten negativen Entscheid. Ich war in der Folge in Urdorf und Glattbrugg, zwischendrin auch wegen illegalen Aufenthalts im Gefängnis, einmal schon im Flugzeug zur Ausschaffung. 10 Monate habe ich mich bei einem Kollegen versteckt, dann fand sich eine Familie, die mich aufnahm. Da wohne ich immer noch, mein grosses Glück!
In all den Jahren habe ich mir zunächst selber mit einer App Deutsch beigebracht, dann Solinetz-Kurse besucht. Momentan besuche ich den C1-Kurs. Da ich kontaktfreudig bin, ist das Schweizerdeutsch mir auch nicht mehr fremd.
Nach all den Jahren der Unruhe und Entbehrungen wurde ich nun doch vorläufig aufgenommen. Mit F-Ausweis dachte ich, es gehe nun vorwärts. Ich würde gerne den Sekundarschulabschluss machen und nachher eine Lehre. Mein Sozialberater war aber beim ersten Gespräch nicht so enthusiastisch, wie ich mir das ausgemalt hatte. Das hat mich zunächst enttäuscht. Mein Berufsfindungsprozess hat aber inzwischen begonnen. Gerade hat mich meine <Ersatzmutter> zur Berufsberatung begleitet. Ich werde auf jeden Fall alles daransetzen, eine gute Ausbildung zu machen und weiterzukommen.»